Ich schnaubte leise, gefolgt von einem tiefen Seufzen. Ich wusste selbst nicht mehr, was ich eigentlich noch glauben sollte. Was noch wahr und falsch war. Denn alle sagten etwas anderes. Und alle waren sie der Meinung, die Wahrheit zu sagen. Nur, was war wirklich die Wahrheit?
"Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.", sagte ich schließlich ziemlich müde und ließ mich wieder auf die Bank fallen, begann dann, den Nagellack von meinen Nägeln zu kratzen und mich voll und ganz darauf zu konzentrieren. Eine Weile sagte ich nichts mehr, sondern kratzte einfach nur den Nagellack von meinen Nägeln.
"Weißt du, ich habe mir schon oft überlegt, ob ich Beck nicht wirklich auf dich ansetzen soll, aber ich habe mich jedes Mal zurück gehalten, weil ich mir nicht sicher war, ob ich es dann im Nachhinein bereuen würde. Und ich habe Angst davor, dir zu glauben, weil ich Angst habe, das ebenfalls zu bereuen.", sagte ich nach einer Weile schließlich ziemlich leise, hob meinen Blick jedoch nicht von meinen Nägeln. Ich wusste nicht, was mich dazu getrieben hatte, das laut auszusprechen, aber jetzt war es gesagt. Jetzt war es raus und ich konnte es nicht mehr rückgängig machen...

Ich wollte Jace gerade widersprechen und hatte fast schon zu meiner ausführlichen Argumentation angesetzt, wieso es unmöglich war, dass ich Gefühle für ihn hatte (wohl wissend, dass dem doch so war), jedoch kam ich nicht dazu. Erschrocken fuhr ich zusammen, als ich ein wirklich widerliches Geräusch vernahm. Urgh, manchmal hasste ich meine Vampirgene, es tat nämlich unfassbar weh.
Mein Gesicht strahlte nicht gerade vor Freude auf, als Jace bester Freund sich die Ehre gab und sich zu uns gesellte. Ganz im Gegenteil, meine Gesichtszüge froren wieder ein und von der vorherigen Zerbrechlickeit und Offenheit war nichts mehr übrig. "Bravo Alec, wieder sehr niveauvoll von dir, wirklich. Tatsächlich ist es keine Beleidigung, schwul zu sein, es ist normal. Das zeugt nur wieder davon, wie albern und kindisch du bist.", stauchte ich Alec zurecht, nachdem ich meinen Blick wieder auf meine Fingernägel gerichtet hatte - irgendwie doch froh darüber, dass er gerade in diesem Moment rein geplatzt war. Wer wusste schon, was sonst geschehen wäre... das wollte ich mir erst gar nicht ausmalen.

"Ihr seid echt süß, vielleicht solltet ihr ja mal miteinander ausgehen...", kommentierte ich spitz und fasste meine offenen Haare, die mir mittlerweile ziemlich auf den Geist gingen, zu einem unordentlichen Zopf zusammen. "Ich weiß gar nicht, wieso ich mich überhaupt mit dir unterhalte, Alec."
Die nächsten Worte von Alec, die deutlich an Jace gerichtet waren und die ich als deutliche Spitze gegen mich auffasste, entlockten mir ein genervtes Seufzen. Oh bei Merlin, vielleicht sollte ich Beck gegenüber doch eine unauffällig auffällige Bemerkung machen... "Ich komm auch ganz gut alleine zurecht, danke um deine Fürsorge.", murmelte ich und wandte meinen Blick aus dem Fenster. Jetzt wusste ich wieder, wieso ich Jace einfach nicht vertrauen konnte. Oder wollte. Er war immer so ganz anders in Gegenwart seiner Freunde, dass ich nie wusste, welche Seite von ihm nun echt war. Und das war schrecklich verwirrend.
Alecs letzten Worte, bevor er das Abteil endlich wieder verließ, ignorierte ich bewusst und nahm meinen Blick auch nicht von der Landschaft, um sein Meisterwerk auf der Scheibe zu betrachten. Womit hatte ich das nur verdient?