cf: Am Gleis

Gekonnt wuchtete ich Minnies Koffer und sonstiges Gepäck in das Netz über den gegenüberliegenden Sitzreihen und drehte mich dann zu ihr um, beobachtete wie sie sich setzte und ließ mich dann einfach gegenüber von ihr sinken und lächelte. Wahrscheinlich würde sie niemals sagen, dass ich sie störte...die einzige Möglichkeit war also, eine möglichst angenehme Gesellschaft zu sein.
Was eigentlich eine meiner leichtesten Übungen war. "In welchem Haus und Jahr bist du also jetzt; Minnie?", fragte ich und zog meine Jacke aus, schmiss sie neben mich auf den Sitz und richtete meinen Blick wieder auf mein Gegenüber. Ich mochte ihren Namen.
Ob sie wirklich so hieß?

"Ich denke, du hast mich missverstanden. Und um auf deine Frage zu antworten: "Nein, ist es nicht."" Mein Lächeln war deutlich schmaler geworden, bis es irgendwann ganz verschwunden war. Natürlich traf es mich. Weil ich jetzt verstand, wieso sie keine Koffer tragen durfte. Und es trotzdem fast getan hatte. "Ich habe nicht nach dem Grund gefragt, wieso du ein Jahr lang ausgesetzt hast. Oder was du für eine Krankheit hast.", sagte ich und lenkte meinen Blick ein wenig zur Seite. Es gab doch ein Leben außerhalb davon. Außerhalb von Chemos und Krankenhäusern...und all diesen schlimmen Gedanken, die sie haben musste. Sie war doch viel mehr als ein Mädchen, dass Krebs ausgesetzt gewesen war. Und weil ich eben ein direkter Mensch war, sagte ich es genau so. "Ich hätte dich nach deinem Lieblingsessen oder so gefragt, deinem Lieblingsbuch- oder Film. Welche Jahreszeit du magst und welche Blumen...alles andere eben. Eben das, was dich ausmacht." Ich sah Minnie wieder an und hob die Augenbrauen. Das war ein schweres Thema, in das ich da hineingerutscht war. Aber ich versuchte es auf meine Art zu händigen. Darauf bedacht zu sein, andere zum Lächeln zu bringen.

Minnies Stirn runzelte sich mehr und mehr je länger sie ihm zuhörte. Seine Worte verwirrten sie ungeheuerlich, denn mit solch einer Reaktion hatte sie nicht gerechnet. Die meisten Leute verfielen in solchen Situationen in peinlich berührtes Schweigen weil sie mit dem Thema Tod nicht umgehen konnten, oder sie fingen an sie großspurig zu bemitleiden.
"Wieso interessiert dich mein Lieblingsessen?" Langsam wandte sie sich wieder ihrem Gegenüber zu und ein schüchternes Lächeln huschte über ihre Lippen als sich ihre Blicke trafen. Was für ein außergewöhnlicher Kerl.

"Vielleicht lade ich dich ja mal ein. Da ist es immer gut zu wissen, ob seine Begleiterin ein Lieblingsessen hat. Oder eine Lieblingsstadt, in der sie gerne einmal ein Restaurant besuchen würde.", sagte ich und erwiderte Minnies Blick mit einem charmanten Lächeln, lehnte mich dann wieder ein wenig zurück und sah aus dem Fenster. Fast sofort glitt mein Blick wieder zu Minnie und mein Lächeln vertiefte sich ein wenig während mein Blick ihren traf. So weit wie ich schon in der Welt herumgekommen war, kannte ich eine Menge schöne Städte, in denen man essen gehen konnte.

"Ich wette, das sagst du zu allen Mädchen.", entgegnete sie und erwiderte sein Lächeln. Im selben Augenblick ertappte sie sich dabei, wie sie anscheinend wirklich schon fast anfing zu flirten. Das musste aufhören. Minnie konnte es sich nicht erlauben zu flirten. Egal wie umwerfend ihr Gegenüber war. Es ging einfach nicht.
"Du solltest lieber jemand Schönes und Gesundes zum Essen einladen, wenn ich dir da mal einen Tipp geben darf.", fügte sie also noch hinzu und versuchte ihre Mauer aus Sarkasmus und unangenehmer Ehrlichkeit aufrecht zu erhalten. Was jedoch nur kläglich funktionierte.

"Nein.", antwortete ich schlicht und schüttelte leicht den Kopf, überließ es Minnie, ob sie mir nun glaubte oder nicht. Doch sie hatte wirklich Unrecht, ich machte zwar gerne Komplimente, um andere zum Lächeln zu bringen, aber ich ging nicht so mit allen Mädchen um, wie ich mit Minnie umging. Schließlich ging sie mit mir auch komplett anders um, als ich es gewöhnt war. Und irgendwie...faszinierte es mich. "Du bist schön.", gab ich prompt und direkt meine Antwort und zwinkerte meinem Gegenüber zu.
Sie war schön, das war die reine Wahrheit. Sie sollte sich nur nichts anderes einreden.

Minnie schnaubte leicht. "Ja, klar.", war alles was sie dazu noch sagte. Die Hufflepuff verschränkte die Arme vor der Brust und sah wieder zum Fenster hinaus. Konnte das Ding nicht endlich mal losfahren? Je schneller sie los fuhren, desto schneller kam sie von Percy weg. Er verwirrte sie und sie war nicht gerne verwirrt.
Viel lieber war sie ihr eigener Herr und in der Lage ihre Gefühle und Emotionen zu kontrollieren, doch das ging in seiner Anwesenheit einfach irgendwie nicht. Sie würde ihm nur wehtun, wenn sie es zuließ.

Ich sah Minnie einen Moment schweigend an und wandte dann leicht lächelnd den Blick ab. "...was also ist dein Lieblingsessen?", wollte ich schließlich wissen und lehnte mich in die Sitzpolster zurück, um die Hufflepuff anzusehen.
Augenkontakt zu halten war einfach etwas, was ich automatisch machte. Es war direkt und ehrlich und manchen Menschen konnte man bis auf den Grund ihrer Seele sehen. Vielen war das unangenehm, viele fühlten sich dann direkt angestarrt.
Doch die Augen waren nicht ohne Grund auch die Spiegel der Seele. Und Minnies Seele interessierte mich. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie das Gleis sich langsam leerte, vermutlich würden wir gleich losfahren.
Irgendwie hoffte ich, dass keiner mehr auf die Idee kam, sich noch in dieses Abteil zu setzen..

Minnie seufzte leise und hielt den Blick weiterhin aus dem Fenster gerichtet. "Du lässt echt nicht locker, oder?", fragte sie. Irgendwo war das ja auch echt süß. Es schien ihm wirklich am Herzen zu liegen sie kennen zu lernen.
Schlussendlich wandte sie sich also wieder ihrem Mitschüler zu, dessen Blick sofort den Ihren traf. Die Hufflepuff lief leicht rosé an und senkte den Blick nach ein paar Sekunden wieder. "Milchreis.", antwortete sie schließlich, auch wenn es nur ein leichtes Murmeln war. Ihre Mutter setzte ihr oft die ausgefallensten und besten Gerichte vor, doch Minnie war eigentlich mehr für die simplen Dinge.

Ich hob ein wenig die Schultern an und neigte den Kopf zur Seite, persönlich fand ich es ziemlich unverschämt, wenn man Leuten zu sehr auf die Pelle rückte, aber bei manchen musste man eben ein wenig die Schale zerbrechen, um an den Kern zu kommen.
Und Minnie gehörte mit ihren hohen schützenden Mauern um sich herum zu dieser Art von Leuten.
"Milchreis.", wiederholte ich, mein Grinsen vertiefte sich etwas, doch das war in keinster Weise spöttisch gemeint.
Es machte Minne irgendwie sympathisch. Milchreis.

"Mit Zimt. Oh Merlin, ich liebe Milchreis mit Zimt. Zimt generell. Und Weihnachten. Weihnachten ist so wunderschön. Alles leuchtet und alle sind glücklich und es ist warm und gemütlich. Einfach wunderbar. Und das Essen erst. Ich glaube, diese Weihnachten bleibe ich auf Hogwarts. Ich war Weihnachten noch nie dort." Es war merkwürdig, aber auf einmal brach die alte Minnie durch. Die, die immer ewig über Dinge reden konnte, die sie faszinierten. Die, die nur dann wirklich auftaute wenn sie sich in jemandes Gegenwart wirklich wohlfühlte. Und, Himmel, sie fühlte sich in Percys Gegenwart verdammt wohl.
Doch sobald realisierte was sie da grade gesagt hatte, biss sie sich auf die Lippe. "Das interessiert dich alles vermutlich gar nicht, oder?", fragte sie ein wenig verunsichert.

Schwankend zwischen Belustigung und Erleichterung über Minnies Redeschwall zog ich die Augenbrauen in die Höhe, sie taute ja richtig auf. Ich lächelte mit ihr, irgendwie froh darum, dass sie sich nicht sofort wieder in ihr Schneckenhaus zurückgezogen hatte.
"Ich hab nicht danach gefragt...aber wenn du mir von dir aus selbst Sachen erzählst, ist das noch besser."
Auch wenn mir sofort Millionen Fragen eingefallen wären, die ich sie hätte fragen können, wenn ich es schaffte, das Eis zu brechen, würde sie von sich selbst aus erzählen können. Und zwar genau mit den leuchtenden Augen und dem faszinierten Gesichtsausdruck, den sie kurz hatte durchscheinen lassen. "Hogwarts ist zu Weihnachten wirklich schön. Dann fahren Schlitten nach Hogsmeade und es stehen 12 Weihnachtsbäume in der großen Halle. Das einzige, was nervt sind die singenden Rüstungen..aber das gehört wohl auch irgendwie dazu. Und das Weihnachtsessen natürlich. Ich wette, da kriegst du auch dein Zimtgebäck...und wenn nicht, können wir vorher welches backen."

"Entschuldige..", murmelte sie und sah einen Moment lang auf ihre Zehenspitzen. Wie lange war es jetzt her, dass sie mit jemandem geredet hatte, der nicht entweder ihr Vater, ihre Mutter oder irgendein Angestellter oder Arzt war? Viel zu lange. Es fühlte sich merkwürdig an so locker mit jemandem umzugehen den sie kaum kannte. Generell fühlte es sich merkwürdig an wieder von Leuten umgeben zu sein. Vielleicht hätte sie sich nicht für ein Leben als einsamer Wolf entscheiden sollen...
"Schlitten? Echt? So Große oder wie? Woah, das will ich sehen!", Begeisterung machte sich in ihren Augen breit als sie wieder aufsah und Percy von Weihnachten auf Hogwarts erzählte, "Ich kann aber gar nicht backen. Meine Mom lässt immer alles von den Hauselfen machen."